Benefits Vorsorge: Chancen nicht verspielen
Zusatzleistungen ohne Strategie sind verschwendete Chancen. Das Beispiel der Isabellenhütte zeigt wie Benefits nachhaltig eingeführt werden können.
Es läuft etwas falsch“, konstatiert Tobias Bailer, geschäftsführender Gesellschafter der Pension Solutions aus dem mittelfränkischen Erlangen. Gerade „kleine und mittlere Unternehmen verplempern ihr Potenzial, sich als attraktive Arbeitgeber zu profilieren“. Bailer bezieht sich dabei auf seine Erfahrungen aus Gesprächen mit Unternehmern und Geschäftsführern, die Bailer als unabhängiger Spezialist für Analyse, Konzeption und Umsetzung betrieblicher Vorsorgelösungen führt. Er stoße auf viele Unternehmen, in denen im Prinzip sinnvolle Benefits für die Beschäftigten eher impulshaft eingeführt werden. Da gebe es ein bisschen Yoga am Arbeitsplatz, eine Laufgruppe und Vorsorgeleistungen, um die sich Mitarbeiter intensiv bemühen müssten. „Eine klare Strategie kann ich nur selten erkennen“, so sein ernüchterndes Fazit.
Mehrheit ohne Benefit-Strategie
Diese Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage von Willis Towers Watson, wonach die große Mehrheit der deutschen Unternehmen keine klare Strategie bei Benefit-Programmen für ihre Mitarbeiter hat. Das ist für den Pension Solutions-Chef umso überraschender, weil gleichzeitig das Klagelied über fehlende Fachkräfte, hohe Fehlzeiten oder überdurchschnittliche Fluktuation angestimmt wird. Eine große Zahl der Familienunternehmer „ist eher als Feuerwehr unterwegs“.
Wird ein Problem beispielsweise anhand von Krankheitstagen sichtbar, soll eine schnelle Einzelmaßnahme unmittelbare Abhilfe schaffen. Eine systematische Mitarbeiterbindung als Baustein eines Employer Brandings in einem wettbewerbsintensiven Umfeld braucht aber einen längeren Atem. „Nur weil ein Chef die Freude am Laufen für sich entdeckt hat, muss das nicht unmittelbar die Lösung sein, die alle Mitarbeiter glücklich macht“, erklärt Bailer.
Von „nice to have“ zur Zielerfüllung
Eine grundlegende Analyse des Ist-Zustands an Mitarbeiter-Benefits hilft erheblich weiter. Dazu zählt natürlich die Erfassung der gewachsenen Vielfalt an Betriebsrenten oder anderen Bausteinen der betrieblichen Vorsorge, wie die Absicherungen gegen Berufsunfähigkeit – inklusive der jeweiligen Leistungs- und Angebotsvielfalt. Aber auch die Personal- und Sachkosten für persönliche Fitness, Massagen am Arbeitsplatz oder ein kostenloses Obstangebot liegen häufig im Dunkeln. Das reicht bis zur feinsinnigen Unterscheidung, wo die individuelle Arbeitszeit beim Training für den Firmenlauf beginnt und endet. Tobias Bailer vermutet, dass mindestens jedes zweite Unternehmen wenig Überblick über die tatsächlichen Kosten seiner als Benefits angebotenen Zusatzleistungen hat. Darüber hinaus müssten Elemente der betrieblichen Altersvorsorge (bAV), der Gesundheitsvorsorge und des Wellbeing kommunikativ vermittelt werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass gut gedachte Programme am gefühlten Bedarf der Mitarbeiter vorbeigehen.
„Nur weil ein Chef gerne läuft, machen Firmenläufe noch längst nicht alle Mitarbeiter glücklich.“
Tobias Bailer, geschäftsführender Gesellschafter Pension Solutions Group
Die gewachsene Vielfalt hat eine weitere Auswirkung. Personalabteilungen sind häufig mit den einzelnen Maßnahmen so eingespannt, dass operativ kaum Luft für den Ausbau einer neuen Strategie bleibt. Für Tobias Bailer ist es genau umgekehrt: „Man muss dieses Dickicht buchstäblich mit der Axt lichten.“ Am Ende können dann neue digitale Prozesse für administrative Entlastung sorgen und dem HR-Team mehr Luft verschaffen, etwa für die Gewinnung und Bindung der Mitarbeiter.
Isabellenhütte mit Erfolgsbeteiligung
Dabei gibt es heute angesichts wachsender Möglichkeiten weniger denn je einen einzigen goldenen Weg für betriebliche Vorsorgekonzepte. Vielmehr müssen Unternehmen je nach eigenen Präferenzen ihr individuelles Vorsorgemodell entwickeln. Ein Beispiel hierfür ist die Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG aus dem mittelhessischen Dillenburg, das jüngst auch mit dem Deutschen bAV-Preis 2018 in der Kategorie „kleine und mittlere Unternehmen“ ausgezeichnet worden ist.
In dem aus einer 1482 gegründeten Kupferhütte hervorgegangenen Familienunternehmen wurde nach mehr jähriger Vorbereitung das gewachsene Versorgungsmodell der reinen Versorzungszusage durch den Arbeitgeber abgelöst. Stattdessen wurde im vergangenen Jahr ein Drei-Säulen-Modell eingeführt. „Herzstück ist die neu eingeführte Erfolgsbeteiligung“, berichtet der projektverantwortliche Personalmanager Steffen Enseroth. Mitarbeiter können das Geld in ihre Altersvorsorge einzahlen, was der Arbeitgeber noch einmal mit 30 Prozent bezuschusst. Daneben finden sich die beiden Säulen Basisversorgung mit reinem Arbeitgeberbeitrag und die Entgeltumwandlung. Die Veränderung der Vorsorge, von der Ausgestaltung im Detail bis hin zur Auswahl der Partner, war ein langwieriger Prozess. Allein angesichts der Migration aus der analogen in die digitale Welt jenseits des Tagesgeschäfts begegnete die HR-Abteilung dem Projekt mit „gehörigem Respekt“, wie Enseroth ausführt.
Blanke Angebote reichen nicht
Insbesondere die umfassende Kommunikation mit allen Mitarbeitern in einem relativ kurzen Zeitraum galt als zentrale Herausforderung. Von den mittlerweile rund 1.000 Mitarbeitern sollten möglichst viele Beschäftigte erreicht werden. Das war nicht ganz einfach, erklärt HR-Mann Enseroth: „Die Mitarbeiter konnten sich unter der Arbeitgeberleistung nicht viel vorstellen.“
Dafür wurde das ganze Vorsorgepaket unter dem griffigen Namen Isacare zusammengefasst, jeder Bewerber erhält nun mit den gesamten Unternehmensinformationen auch eine klare Übersicht über die Vorsorge-Benefits. Zusätzlich wurde der Betriebsrat in den Prozess früh eingebunden, der ebenfalls das neue Modell aktiv unterstützte. Für eine klare Kommunikation wurde Pension Solutions ins Boot geholt, um die gesamte Belegschaft in einem dreistufigen Prozess über die Vorzüge zu informieren. Mit Präsentationsveranstaltungen und Einzelgesprächen wurde bei der Erfolgsbeteiligung aus dem Stand eine Annahmequote von knapp 50 Prozent erreicht. Im Vergleich zur früheren Akzeptanz war das ein großer Sprung nach vorn. In diesem Jahr soll die Quote noch weiter gesteigert werden.
Digitales und Persönliches kombinieren
Trotz vieler Vorteile rein digitaler Prozesse ist das persönliche Beratungsgespräch ein zentrales Erfolgskriterium: „Mit einem digital gestützten Prozess hätten wir nur einen Bruchteil der Mitarbeiter überzeugt“, ist sich Enseroth sicher. Marc Sontowski, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der Pension Solutions, schlägt in die gleiche Kerbe: „Personalisierte Kundennähe zu den Beschäftigten sollte weniger unter Kostenaspekten als vielmehr unter Potenzialgesichtspunkten bewertet werden.“ Um die Arbeitgeberattraktivität und die Mitarbeiterbindung zu steigern führe trotz Chatbots & Co. noch kein Weg an individueller und klarer Kommunikation vorbei, um den Mitarbeiter persönliche Fragen zur Vorsorge zu beantworten.
„Trotz Chatbots & Co. müssen wir Vorsorgefragen der Mitarbeiter persönlich und individuell beantworten.“
Marc Sontowski, geschäftsführender Gesellschafter Pension Solutions Group
Persönliche Beratung ist das eine, digitale Transparenz sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber ist das andere. Pension Solutions visualisiert den aktuellen Status bei der betrieblichen Vorsorge sowie allen Benefits in einem Portal. Mit dieser Spezialisierung werden Firmen ab einer Größe von 100 Mitarbeitern bis hin zum Dax-Konzern begleitet und bei der Umsetzung unterstützt.
Keine Lösung von der Stange
Arbeitgeber haben die Qual der Wahl, wenn sie ihr Profil als attraktives Unternehmen schärfen wollen. Dafür steht ein fast unerschöpfliches Reservoir an Benefit-Möglichkeiten zur Verfügung. Herzstück für die Mitarbeiter wird allerdings die reine bAV bleiben, um der persönlichen Rentenlücke eine klare Lösung entgegenzusetzen. Auch hier tut sich einiges. Für die Zielrente, die Arbeitnehmern ohne Garantie eine höhere Rentenzahlung in Aussicht gestellt, finden sich beispielsweise die ersten fondsgebunden Lösungen am Markt. Die sind naturgemäß weniger für rentennahe Jahrgänge geeignet, sondern eher für die jüngeren Mitarbeiter. Die neuen Möglichkeiten verlangen gerade von kleinen und mittleren Unternehmen eine gründliche Konzeption gemäß der individuellen Präferenzen. Am Ziel ist nicht zu rütteln: Im Wettbewerb um die passenden Fach- und Führungskräfte müssen die Arbeitgeberleistungen klar und verständlich konzeptioniert und präsentiert werden.
Veröffentlicht: Personalmagazin.de, Haufe Group Juni/2018
Bilder: pension solutions group
Autor: Ulf Thaler
Sie wollen Up-To-Date bleiben?
Abonnieren Sie unseren monatlichen Newsletter!