Eine voll digitale betriebliche Altersvorsorge – reicht das aus?

28.01.2021

Die Corona-Pandemie hat HR zusätzlich verdeutlicht, dass die Digitalisierung auf der Agenda nach vorne rücken muss. Dabei stellt sich die Frage, was eine digitale bAV-Lösung leisten muss – und welche analogen Anteile weiterhin sinnvoll sind.

Wohin geht die Reise?

Bereits 2019 hat ein Drittel der Unternehmen bis zu 30 Prozent ihres Administrationsbudgets in Digitalisierungsprojekte investiert. Das ergab eine Befragung durch den bAV-Dienstleister Willis Towers Watson. Nicht mehr nur Prozesse der Personalverwaltung wie Payroll, Urlaubsplanung und andere administrative Tätigkeiten werden digitalisiert, sondern zum Beispiel auch Bereiche des Recruitings, der Online-Weiterbildung und –Kollaborationsformen. Bereits vor der Pandemie gingen rund 80 Prozent der Unternehmen von einer weiter steigenden Digitalisierung aus. Der Blick für die Notwendigkeit „weg von Excel und Co hin zu einer intelligenten Automatisierung“ ist geschärft. Davon ist auch die betriebliche Altersvorsorge betroffen. Vor allem auch, weil die bAV mit einer stetig wachsenden Komplexität konfrontiert ist: Gesetzesänderungen, Niedrigzinsphase, die Vielfalt an Versicherungsverträgen und -tarifen sowie die gestiegene Erwartungshaltung der Mitarbeitenden sorgen für einen steigenden Organisationsaufwand.

In der Standardisierung der Prozesse liegen enorme Optimierungspotenziale, die zu einer Qualitätsverbesserung und mehr Transparenz führen.

Outsourcing der betrieblichen Altersvorsorge

Die Regelungsdichte der bAV führt dazu, dass Unternehmen die Aufgabe zeitlich und inhaltlich nicht mehr mit den eigenen Personalressourcen abdecken können und sie daher an externe Dienstleister auslagern. Outsourcing liegt sowohl bei KMU als auch bei Konzernen hoch im Kurs. Die Unternehmen präferieren eine einfache Verwaltung und die Zusammenarbeit mit einem Full-Service- Partner anstelle verschiedener Dienstleister. Damit stehen Arbeitgeber allerdings erneut vor einer Vielzahl an Herausforderungen.

Weg vom Generalisten, hin zum Spezialisten

Da die Beschleunigung von Veränderungsprozessen weiter zunimmt, muss sowohl auf gesetzliche Änderungen wie auch auf Produktanpassungen schneller reagiert werden. Um hier mithalten zu können, ist es wichtig, einen auf die bAV spezialisierten Partner zu finden, der keine Lösungen von der Stange liefert, sondern auf die jeweiligen individuellen Bedarfe des Unternehmens eingeht. Darunter fällt beispielsweise auch die Expertise, alte Versorgungswerke zu integrieren und versicherungsmathematische Beratung mit anzubieten. Gleichzeitig spielen Beratungs- und Begegnungsqualität weiterhin eine zentrale Rolle. Sowohl die HR-Abteilung als auch die Beschäftigten erwarten eine Kommunikation auf Augenhöhe, die individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ob Mitarbeitende das bAV-Angebot des Arbeitgebers annehmen, hängt maßgeblich davon ab, wie sie über die betriebliche Altersvorsorge informiert und beraten werden. Diese Kommunikation sollte unternehmensindividuelle Prozesse berücksichtigen und sich an der Unternehmenskultur orientieren. Die digitalen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sollten dann entsprechend angepasst und nicht standardisiert eingesetzt werden. Auf den persönlichen Kontakt in der Beratung darf keinesfalls verzichtet werden, weil er auf die Akzeptanz und damit den Erfolg eines bAV-Angebots einzahlt.

Digitale Services ergänzen und vereinfachen

Vollständig digitale Abschlüsse sind in der bAV bisher eher selten, aber mit der Vereinfachung durch die digitale Kommunikation und digitale Abwicklung wird die Akzeptanz der Mitarbeitenden in Zukunft sicherlich steigen. Laut einer Umfrage von Bitkom hat bereits jeder Zweite eine Versicherung online abgeschlossen. Dabei handelt es sich zwar um „einfache“ Produkte wie Kfz- oder Reiserücktrittsversicherungen, aber die Erwartungshaltung wächst. Personalerinnen, Personaler und Mitarbeitende erwarten rund um die Uhr Informationen und Lösungen, die individuell auf sie zugeschnitten sind, sowie transparente Prozesse und webbasierte Portale, die Auskunft über den persönlichen Rentenanspruch geben.

Gleichzeitig haben Unternehmen erkannt, dass die Digitalisierung der Administration Zeit und Geld spart. In der Standardisierung der Prozesse liegen enorme Optimierungspotenziale, die zu einer Qualitätsverbesserung, aber auch zu mehr Transparenz für die Beschäftigten über ihre bAV-Ansprüche und damit zu einer Stärkung der Mitarbeiterbindung führen. Digitale Services, wie beispielsweise Vertragsübersichten oder Beitragshistorien, fördern zum einen das Kundenerlebnis, zum anderen beschleunigen sie die jeweiligen Prozesse und erhöhen die Datenqualität. Um die digitale bAV-Reise zu realisieren, sind jedoch viele Schnittstellen notwendig (siehe Abbildung).

Auf diese Weise werden die Kommunikationsprozesse zwischen den Beteiligten verbessert und die Abläufe vereinfacht. Viele Arbeitgeber setzen daher auf Full-Service-Dienstleister, die Personalabteilungen bei diesen Prozessen helfen. Eine digitale bAV-Akte führt zum Beispiel zu einer Entlastung des HR-Bereichs und sorgt für Transparenz, Schnelligkeit und Nachhaltigkeit. Auf reibungslos funktionierende Schnittstellen sollte besonders viel Wert gelegt werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten sich beispielsweise online informieren, mittels Live-Chat eine Frage stellen können, telefonisch beraten werden und zusätzlich vom Arbeitgeber Informationsbroschüren ausgehändigt bekommen. Diese unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten müssen von einem externen Dienstleister gut abgebildet werden können.

Reine Digitalisierung – kein Erfolgsrezept für die bAV

Gerade bei dem komplexen Thema der betrieblichen Altersvorsorge darf nicht vergessen werden, dass hinter allen Prozessen und Abläufen ein Mensch steht. Hierbei geht es um eine langfristige Anlage, die ein hohes Vertrauen in den Arbeitgeber und in das Produkt voraussetzt. Zwar informieren sich Unternehmen und Beschäftigte im Vorfeld auch im Internet, aber die Beratung und der Abschluss eines bAV-Vertrages finden in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei einem persönlichen Termin statt. Nicht nur, weil es elementar ist, dass die Funktionsweise der betrieblichen Vorsorge von den Mitarbeitenden verstanden wird.

Ebenso wichtig es, die individuellen Bedarfe der Unternehmen mit einzubeziehen. So hat beispielsweise nicht jeder Beschäftigte Zugang zum Internet oder liest regelmäßig seine Mails, sodass die passenden Kommunikationskanäle identifiziert und bedient werden müssen. Ob bei der gemeinsamen Ausgestaltung mit dem Arbeitgeber in der Konfigurationsphase oder in der Einzelberatung mit dem Beschäftigten: Die betriebliche Altersvorsorge bleibt immer individuell. Aber digitale Services ergänzen und vereinfachen die Beratung.

Die Rolle des Multi-Advisors

Eine digitale Verwaltung inklusive E-bAV-Akte, Online-Terminierung, Live-Chat, bAV-App oder auch vollautomatisierte Beratungskonzepte sind daher wichtige Bausteine. Das Konzept des Multi Advisors, das in anderen Märkten auch als Multi Channeling bekannt ist, greift je nach aktuellem Endkundenwunsch auf einen der fünf Kanäle – persönliches Gespräch, Telefon, Video, Online-Beratung oder Digital Advisor – zurück. Dabei fließen die jeweiligen Aktivitäten über die verschiedenen Kanäle reibungslos in die Systeme des Arbeitgebers ein. Trotz aller Möglichkeiten eines Digital Advisors werden Beschäftigte auch andere Kommunikationskanäle beanspruchen wollen – sowohl in der Informationsphase als auch in der Nachsorgephase. Auch der Status quo mahnt Versicherer, Makler sowie Arbeitgeber, das tatsächliche Verhalten des Endkunden nicht aus dem Blick zu verlieren. Verbraucher sind zwar bei der Suche nach Vorsorgeprodukten überwiegend hybrid unterwegs, aber schließen Versicherungen offline ab. In der Kommunikation der Zukunft hat der Multi Advisor eine zentrale Rolle, der verschiedene Kommunikationskanäle persönlich, digital gestützt und volldigital je nach Kundenwunsch kombiniert.

Was bringt die Zukunft?

Aufgrund der zunehmenden Komplexität haben Unternehmen ein zunehmendes Interesse, die bAV auszulagern, um sich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren. Mithilfe qualifizierter Spezialdienstleister können Unternehmen eine schlanke und effiziente Vorsorgelösung für ihre Mitarbeitenden mit einem geringen eigenen Kostenaufwand gewährleisten, ohne ihre Individualität zu verlieren. Durch eine hybride Beratung, bestehend aus Online- und Offline-Informationsmöglichkeiten sowie digitaler und persönlicher Betreuung, wird das komplexe Thema bAV greifbarer. Da die Erwartungen der Beschäftigten in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit und Konsumentenkommunikation weiter steigen, sind weitere Technologiesprünge zu erwarten. Dabei wird jedoch der Entscheidungshelfer Mensch immer eine wichtige Rolle einnehmen.

Bild-Quelle: Personalwirtschaft Betriebliche Altersversorgung 01/2021

Veröffentlicht: Personalwirtschaft Betriebliche Altersversorgung 01/2021

Quelle: pension solutions group

Bilder: PS Group

Autor: Tobias Bailer

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